Trainingslager: Von Hamburg nach Dänemark

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Es ist 16.00 Uhr, der Feierabendverkehr rollt an mir vorbei, als ich mich an der Abfahrt Quickborn bei Hamburg an eine Bushaltestelle postiere. Im Gepäck neben dem Rucksack der Falk-Euroatlas „1:70.000“, ein Edding und eine große Pappe. Schnell bastele ich daraus das Schild. „A7 Nord“ steht darauf – ich will zügig auf die Autobahn und daher jeden potentiellen Lift ansprechen.

Keine drei Minuten stehe ich, da stoppt mit quietschenden Bremsen ein großer LKW. Ich renne zur Tür und klettere hoch zum Führerstand. „Wohin soll es denn gehen, Richtung Süden?“ Ups. Meine Schrift ist manchmal krakelig, aber Süd? Nein, leider nicht. Aber danke!

Zwei Minuten später, mittlerweile hat sich die Sonne aus den Wolken getraut und hellt die Asphaltszenerie auf, stoppt der nächste Wagen. Ein kleiner Kombi ist es diesmal. „Wo soll es denn hingehen?“, fragt der Fahrer mich. „Nach Dänemark, aber bis zum nächsten Rasthof wäre schon klasse!“. Und schon sitze ich im Wagen, denn mein Lift ist auf dem Weg nach Kiel. Jeden Tag pendelt er von dort in einen Hamburger Vorort, wo er sich selbständig gemacht hat. Wir reden über Gott und die Welt, zunächst im weiteren Sinne, schließlich wörtlich. So sehr sind wir im Gespräch, dass wir die Raststätte vor dem Abzweig nach Kiel erst viel zu spät bemerken. Mein Lift bietet mir an, mich kurzerhand bis zum nächsten Rasthof zu fahren. 40 km weiter und, ausweislich seiner Beschilderung, der „letzte vor der Bundesgrenze“. Es ist „Hüttener Berge“, schon nördlich des Nord-Ostseekanals.

Ich bekomme vom Lift noch eine Broschüre über seine Gemeinde in die Hand gedrückt, bedanke mich vielmals und betrete den Parkplatz. An der Ecke steht eine Gruppe Holländer, die gerade Pause machen. Schnell kommen wir ins Gespräch – sie sind auf dem Weg zur Arbeit in Nordjütland. Leider ist ihr Wagen schon voll, aber sie wünschen mir viel Erfolg. Danke, der kann nicht schaden.

In der Abendsonne schreibe ich schnell ein neues Schild, drauf ein dickes „DK“ im Kreis, und stelle mich an das Ende des Parkplatzes. Wenig ist los hier, vielleicht zwei Autos pro Minute fahren vorbei. Aber davon so einige aus Dänemark. Ist gerade kein Auto in Sicht, genieße ich die letzten Strahlen der Nachmittagssonne. Plötzlich hält ein dänischer Kleinwagen. „Bis kurz vor die Grenze könnte ich dich mitnehmen. Aber da ist keine Raststätte, nur ein großer Supermarkt mit vielen Dänen.“ Ich lehne dankend ab, denn mit Abstechern von der Autobahn habe ich eher schlechte Erfahrungen gemacht. Am besten ist es fast immer, nur von Raststätte zu Raststätte zu trampen. Nachdem der Däne allein weiterfährt, kommen über eine Viertelstunde lang nur betont desinteressiert blickende Autofahrer an mir vorbei. Vielleicht ist es doch besser, es einmal mit Ansprechen direkt an der Zapfsäule zu probieren?

Schon auf dem Weg dorthin hält wieder ein dänisches Auto. Der Fahrer will nach Hadersleben, eine Stadt zwischen Flensburg und Kolding. Klar, kurz vor Hadersleben ist noch eine Raststätte, ich steige ein. Die folgenden 50 Minuten unterhalten wir uns über die Situation im Grenzland, über das Zusammenwachsen Europas und den harten Winter. Der blieb, Überraschung!, auch in Dänemark nicht aus. Wo wir schon vom Wetter sprechen, meldet das sich kurz vor Hadersleben auch zurück. Leichter Nieselregen schlägt gegen die Scheibe.

Am Rasthof Hadersleben ist es (noch) trocken, dafür fast menschenleer. Eine Familie aus Deutschland tankt gerade, hat aber auch den letzten Kubikzentimeter in ihrem Auto mit Koffern gefüllt. Am kleinen Parkplatz fährt ein LKW an. Ich laufe hin, recke meinen Daumen in die Luft. Zumindest bis Kolding, wo die Autobahn nach Esbjerg abzweigt, möchte ich kommen. „OK“ lautet die knappe Antwort des Truckers.

Fast majestätisch scheint der LKW über die Autobahn zu gleiten. Wir fahren Tempo 80, aber aus der hohen Führerkabine wirkt alles doch sehr anders, als man es im kleinen PKW gewohnt ist. Mein Lift holt derweil sein Funkgerät raus und tauscht mit seinen Kollegen den neuesten Truckerklatsch aus. Still sitze ich daneben auf dem gut gefederten Sitz und verstehe kein Wort. So schaue ich lieber aus dem Fenster und sehe Südjütland mit seiner etwas eintönigen platten Landschaft kurz vor dem Regen vorbeiziehen.

Auf der Autobahn stellt sich schnell heraus, dass mein Lift gar nicht nach Esbjerg möchte, sondern an einen kleinen Ferienort an der Nordseeküste. Das trifft sich gut, ich nämlich auch. Und tatsächlich, sein Ziel ist gleich der Nachbarort. Was für ein Zufall! Der Fahrer macht hier in der Gegend seit Jahren immer um die Osterzeit Urlaub. Wir unterhalten uns über das Bildungssystem in Deutschland bis hin zum Urlaubmachen in Dänemark. Am Ende bietet der Lift mir auch noch an, mich bis direkt ans Ziel zu fahren. Klar, danke! Ich steige aus, es ist 19.30 und die Sonne scheint in ihren letzten Zügen. Ich bin an der Nordsee in Dänemark, 350 km von Hamburg entfernt und dreieinhalb Stunden voller Erlebnisse reicher.

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