Geschichten von der Strasse

Oldschool: Hitchhiking

Vor ein paar Tagen bekamen wir Post von einem 96-jährigen Rentner aus Deutschland.
Er hat in einer Mainzer Zeitung vom Tramprennen gelesen und das hat ihn motiviert uns über seine Trips zu berichten.
Seine aktiven Tramptage liegen ein wenig zurück: in den 20ern und 30ern des letzten Jahrhunderts. BÄM!!!

Und jetzt kommts: die Tramper früher hatten auch eine Art Tramprennen. Den Tramprennen-Vorfahren! 🙂

Aber… lies selbst!

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Sehr geehrte Damen und Herren,
der Artikel „Per Anhalter…“ von Ute Strunk in der
Mainzer AZ hat mich sehr auf-, nein angeregt, denn
ich war einst auch Tramper, und zwar in der eigent-
lichen Blütezeit dieses Reisegenusses, in den 20er
und 30er Jahren (nicht die des Zweiten „Runs“ erst
in den 60er bis 80er Jahren.
Was ich Ihnen erzählen will, werden Sie z.T.
wohl wissen.
Erstens: Damals gab es so gut wie keine Autobahnen
und schnelle Autos für schnellen Verkehr. Man
stellte sich an den Straßenrand und fand immer
eine gute Seele, die mit 80-100km/h vorbeikam.
Die Tramper waren fast ausschließlich Ange-
hörige der Bündischen Jugend (auch später zur
Nazizeit, obwohl sie „aufgelöst“ waren).
Unsere „Fahrten“, so sagten wir damals, fanden
in Deutschland, nicht darüberhinaus statt.
Wir hatten eine solche Routine entwickelt, daß
wir uns zu einer (fast) festen Zeit da oder
dort wiedertreffen wollten, z.B. von
Dresden aus in Leipzig.
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Besondere Reise- und damit Erlebnisse waren:
1935 (wir auf dem Darß) als Hindenburg noch
einmal zum Reichspräsidenten gewählt wurde.
Wir erlebten’s vor unserem Zelt am Lagerfeuer.
1936 Olympische Spiele. Fahrt nach Finn-
land (Stettin-Helsinki und zurück).
Um dieses „zurück“ geht’s jetzt. Das Fähr-
schiff gehörte einer finnischen Reederei.
Soweit war alles schön und friedlich. Doch kaum
auf Stettiner, d.h. deutschem Boden fiel
eine Horde HJ-Jungen über uns her: wir
wußten nun sehr genau, wo wir wieder waren.
Kleine Freundschaften, Individualität, alle, auch falsche Roman-
tik: Adé! * Der II. Weltkrieg begann auch
noch in den Dreißigern.

Das in Kürze. Was und wie immer Kolle-
gin Strunk oder Sie das geldbringend
verwerten können, es sei zu Gunsten von
aqua.

Borremann

PS. Entschuldigung wegen Schriftbild und
Pannen, mit 96 geht’s nicht mehr so
elegant.
D.D.

*Aber auch das:
Ein Autolenker war zu dem Tramper sehr
lieb – dachte er, aber es ging für ihn ohne
Anzeige und für mich ohne Peinlichkeit ab
Adé, adé, alles adé.
D.D

Wilson. Die Raststelle, eine Insel.

5 Stunden nachdem Wilsons Truck die Raststätte verlassen hatte, waren neben uns lediglich einige schlafende Trucks der verbleibende Rest in der nach Kaffee und Aufbackbrötchen riechenden Parallelwelt, einer Raststelle bei Besancon. Erst jetzt, gegen 4 Uhr morgens wird uns klar, dass wir unseren Volleyball rücksichtslos und ohne Nachzudenken verstoßen hatten. Wilson. Wilson war nicht mehr da. Wilson war dort, wo wir mittlerweile gerne wären.

But – Who the fuck is Wilson?

Wilson ist der einzige Portugiese mit dem Namen Wilson.

„Wilson? OK, we call you Will“, schlagen wir Wilson beim Weg vom Toilettenhäuschen zum Parkplatz vor.
„Noooo, It’s Wilson.“

Während er das sagt, schmeißt er noch gediegen die letzten Reste seines Fast-Food Bestands in die Ecke, schiebt ein paar Zigarettenstummel vom Beifahrersitz auf den Boden und sucht auf dem Rastplatz nach einem geeigneten Mülleimer für Plastik und Karton. Nachdem wir ihm unsere Rucksäcke ins 2m hohe Führerhäuschen zugestreckten, bittet er auch uns, seine fahrende Heimat zu betreten.

Wilsons Armaturenbrett ist ein Geflecht aus Mehrfachsteckdosen, die von 4 Zigarettenanzündern gespeist werden. Laptop, Handy, Herdplatte, Rasierapparat und die automatische Zahnbürste – ein Truck braucht viel Strom.
„One sleeps in the back, one can watch porn. And I drive.“

Freundlich strahlend zeigt er auf Laptop und Bett. In der Tat, die große Liegefläche hinter den Sitzen lädt zum Verweilen ein, und auch Wilsons DVD-Sammlung würde für genug Zündstoff in den nächsten Stunden sorgen, zweifellos. Seine Begeisterung für Sprachen ist kaum zu übersehen, deutsche Wörterbücher und Sprach-CDs sind ebenfalls Teil der Ausstattung in Wilsons 5m² großen Wohnung. Wir bleiben bei Englisch, „Die.Fleischplatte.“, „Ich.habe.einen.Tisch.reserviert.für.zwei.Personen“ und „Herr.Ober.Die.Rechnung.Bitte.“ werden nach einem kurzen Versuch wohlwollend auf morgen verschoben. Wilson bleibt weiterhin voller Lerneifer. Er ist 30 Jahre alt, seit mittlerweile 7 Jahren in europaweit unterwegs, seine Freundin lebt in Lissabon, eigentlich wollte Wilson mal Polizist werden. „I was young and young people often do stupid things…“. Mit 23 Jahren hatte er betrunken und voller Liebeskummer einen Menschen totgefahren, seitdem fährt Wilson LKW.

Die letzten von Schnee bedeckten Felder ziehen an uns vorbei, die warme, nach selbstgedrehten Zigaretten riechende Lüftung und der beständig-monoton surrende Motor spielen die versöhnlichen Schlussakkorde in dem nie endenden Spiel aus Tag und Nacht. Es geht weiter.

Wilson bietet uns einen Schlafplatz hinten auf der Ladefläche seines Trucks an, ist sich aber nicht ganz sicher, ob der abgeschlossene Raum ausreichend durchlüftet ist. In 9 Stunden dürfe er weiterfahren, mitnehmen würde er uns bis Portugal. Wir steigen mit der Gewissheit aus, um 21 Uhr noch weitere Fahrer auf dem Weg nach Spanien zu finden und sind mit der heute zurückgelegten Strecke noch nicht zufrieden. Nach acht Stunden des Wartens vermissen wir Wilson auf unserer Insel, der Raststelle bei Besancon.

Als Ennio Morricone und das Tramprennen sich ganz nah waren

Am vergangenen Montag ist Ennio Morricone, der wohl berühmteste Filmmusik-Komponist der Welt, im Alter von 91 Jahren gestorben. Von ihm stammt neben zahlreichen anderen Filmthemen das Mundharmonika-Solo aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Ein ganz großer also, der 2007 einen Oscar für sein Lebenswerk erhielt.

Was hat dieser Weltstar mit dem Tramprennen zu schaffen?

Wir schauen zurück ins Jahr 2010, als sich etwa 75 mehr oder weniger junge, verrückte Menschen per Anhalter auf den Weg von Hamburg nach Vama Veche in Rumänien machte. Der Sommer war heiß, die Straßen glühten und mittendrin war das Team Piggeldy und Frederick aus Eisenach. Die beiden Tramp-Anfänger konnten zwar gut reden, mit dem Trampen lief es zunächst jedoch eher schleppend.

Nach dem sie das Ziel der ersten Etappe als vorletzte mit dem Einbruch der Dunkelheit erreichten so gerade noch vor dem Erfolgsteam Biber und Nacken erreichten, startete die zweite Etappe von Heidelberg nach Traunstein ebenfalls suboptimal. Viel Zeit und mehrere Autos benötigten die beiden, um bei sengender Hitze auf einem Autobahnparkplatz an der A6 zu landen. Tramperfahrene Menschen wissen gleich, das ist kein gutes Omen, die beiden waren jedoch optimistisch, denn sofort kamen drei junge, motivierte Menschen auf sie zu. Freudestrahlend erwarteten sie ein Mitnahmeangebot, doch daraus wurde nichts: „Autobahnpolizei Stuttgart. Wir sagen es ihnen gleich, wir suchen Waffen und Drogen“. Verdattert antworteten die beiden Tramper: „Ähhhm, wir sind bei einem Tramprennen, wir sammeln nebenbei Spenden für Viva con Agua und wir wollen doch eigentlich nur ganz friedlich nach Traunstein kommen“. Die naiv-liebevolle Art kam bei den hochmotivierten Gesetzeshüter_innen gar nicht gut an: „Wenn sie auch nur irgendwelche Drogen bei sich haben, ist dieses Rennen jetzt und hier beendet und sie fahren mit uns nach Stuttgart“. Plötzlich erkannten die beiden den Ernst der Lage, alle betäubungsmittelähnlichen Gegenstände wurden geistesgegenwärtig im Brennnesselstrauch entsorgt (was die spätere Suchaktion verunmöglichte) und trotz allergrößter Sorgfalt konnten die drei nichts Verdächtiges bei ihnen finden. Schwein gehabt, das erste Tramprennen-Abenteuer der beiden konnte weitergehen.

Wirklich schnell ging es zwar wieder nicht vorwärts, aber Auto für Auto näherten sie sich der A8 südöstlich von München. Als sie dort endlich an einem Rasthof ankamen, wartete schon die Dunkelheit, doch an Aufgeben dachte keiner. Mit der Gitarre versuchte Toffer alias Piggeldy sein Glück an der Auffahrt und es dauerte keine 5 Minuten, da erbarmte sich doch tatsächlich eine junge Frau im schicken Auto, um die beiden mitzunehmen.

Was sie dazu veranlasste? Das sagte uns Anita Gebharter später im Inter view für unser „Grenzenlos – A hitchhiking guide to planet Tramprennen“ – Magazin. „Die beiden haben mich direkt an meinen Sohn erinnert und außerdem so lieb und wohlerzogen aus der Wäsche geschaut.“ Ihr erster Gedanke war allerdings ein anderer: „Hoffen riechen die gut! Das war bei den beiden Gott sei Dank der Fall. Gefühlt haben Tramper oft einen strengen Geruch.“

Für die beiden Tramper gabs nicht nur einen Lift Richtung Ziel, sondern auch noch eine super spannende Geschichte: Annita kam nämlich gerade aus München, wo sie besagten Ennio Morricone persönlich getroffen hatte, um ihn für ein Projekt der von ihr geleiteten Stiftung „Wings for Life“ zu gewinnen. Erst der große Italiener, jetzt das Team Piggeldy und Frederick. Was für ein Tag für Annita, die direkt vom Rennfieber gepackt wurde, einen Umweg machte und die beiden direkt am Zielort ablieferte: „Ich fand das Konzept des Tramprennens so spannend und die beiden waren super höflich und nett. Ich hätte es einfach nicht übers Herz gebracht, sie an der Autobahn wieder ‚auszusetzen‘.“

Neulich auf der Straße [1]

„Jetzt mal im Ernst: Trampen ist doch voll fürn Arsch! Ich steh hier jetzt seit gefühlt zwei Stunden, langsam wird es kalt und zu essen hab ich auch nichts dabei. Und wofür mache ich das? Weil ich lächerliche 300km vorwärts kommen möchte. Das wären doch höchstens 15 Euro mit der Mitfahrgelegenheit und 30 bis 50 € im Zug. Da säße ich jetzt im Warmen und wüsste genau, dass ich bald ankomme.

Aber ich? Ich steh mit einem alten Karton an der Straße und habe langsam Schmerzen, weil ich seit einer Ewigkeit den Daumen rausstrecke. Dazu habe kommt das immer beklemmender werdende Gefühl, dass heute kein Mensch für mich anhält. Es reagiert nicht mal einer auf mein freundliches Lächeln. Das einzige was ich ernte, sind mitleidige oder verachtungsvolle Blicke. Oh mein Gott, ein Tramper!

An einer Tankstelle mag das Ganze ja in Ordnung sein, aber an der Straße ist Trampen echt das allerletzte. Du kannst nichts machen, stehst nur blöd rum und alle zehn Minuten erinnerst du dich, dass du eigentlich nach zehn Minuten dein Schild ändern oder deinen Platz wechseln wolltest. Egal, zehn Minuten versuche ich es noch! Dann ein Blick auf die Uhr: Ich stehe ja doch erst 40 Minuten, vielleicht komme ich ja heute tatsächlich noch an. Die Ernüchterung folgt beim Blick nach oben: Auto 478 und LKW 45 rasen genauso regungslos vorbei, wie ihre Vorgänger. Langsam sollte ich mir echt Gedanken machen, wo ich heute Nacht pennen kann, wenn ich hier nicht mehr wegkomme.“

Knappe drei Stunden später steige ich direkt vor meiner Haustür aus einem kleinen Wagen, habe eine wahnsinnig entspannte Fahrt hinter mir und einen richtig coolen Typen kennengelernt. Trampen, dass ist doch mit Abstand die schönste Art zu reisen!



Überschrift??? Echt mal!

[Dieser Blogeintrag wird Satz für Satz von den bisher anwesenden 8 Trampern erstellt].

 

Wir sitzen seit um zwei im Café und warten jetzt noch auf neun Teams, die am Verrecken auf den kroatischen Landstraßen sind. Stellen uns bereits seelisch auf den zusätzlichen Ruhetag ein, den dann wohl nur drei Teams haben-. [Kollektive dreckige Lache vor dem Treffpunkt in Herceg Novi]. Pizzen sind hier ebenso lecker [Wie war das mit dem Satz abwechselnd??] Dreier-Teams stellen das bisherige Ranking auf den Kopf. Grüße an K2Slow: wollt ihr euch noch oben sehn, müsst ihr die Tabelle drehen. [Ey Leute, mich stechen hier die Biester!] [Willst du was schreiben? – Nö, wunschlos glücklich!]. [Ihr habt doch Flöhe und die Krätze und sowieso!] [Es wird über Bettwanzen und Flöhe diskutiert].

 

also, drei Teams haben sie 400 Km erfolgreich bewältigt, der Rest steckt fest. Wir sind bei Euch!