TR-Adventskalender #15
Ho,ho,ho- Los gehts! Die Weihnachtszeit rückt näher und wir wollen euch etwas ganz besonderes präsentieren: Den ersten Adventskalender auf tramprennen.org. Jeden Tag bis Weihnachten (oder auch daüber hinaus..) gibt es für euch eine Geschichte von unserer allerallerersten Tramperfahrung! Viel Spaß mit den Geschichten und wir freuen uns riesig über weitere “Mein-erstes-Mal”-Geschichten für den Adventskalender. Schickt Eure einfach an gro.nennerpmartnull@ofni. Whoop,Whoop!
#15: Ole
Freiburg ist schön, vom hölzern aufragenden Turm am Schlossberg aus gesehen ganz besonders. Doch zunächst muss man dort hinkommen. Von Hamburg aus. Per Anhalter. Zum ersten Mal per Daumen unterwegs, beim ersten Mal – dem ersten Tramprennen.
Es ist ein Sonnabend im ausgehenden Spätsommer 2008. Spanien ist Europameister im Fußball, Kid Rock dominiert „All Summer Long“ die Hitparade, 11 mehr oder weniger blutige Tramp-Anfänger mit diversen Rucksäcken stehen im nieselig-kalten Hamburg auf dem Platz vor dem Millerntorstadion im Regen. Start vom allerersten Tramprennen. Einer der Tramp-Anfänger bin ich, zwei, und zwar: zwei besonders große Rucksäcke sind meine. Meinen Kompagnon Kiste habe ich drei Wochen vorher kennengelernt, beide brauchten wir jemanden, der mitkam, ergo wurden wir ein Team. Das Etappenziel: 800 Kilometer nach Süden kommen, nach Freiburg. Unsere Vorbereitung ist abgeschlossen: der halbe Hausstand hängt auf dem Rücken, bis auf ein Zelt, Eddinge, Isomatten, Autobahn-Atlanten und so ein Zeugs halt.
Die ersten Kilometer: easy. Wir finden den Weg zur S-Bahn, zum Bus, zur Raststätte Stillhorn. Das Rauschen der vorbeifahrenden Autos und der Geruch einer Fernfahrer-Bratwurstbude verbreiten Autobahnstimmung. Der schnellste Weg nach Freiburg wäre jetzt die A7 runter. Wir entscheiden uns stattdessen für das Osnabrücker Pärchen, das uns nach intensiven Gesprächsversuchen Kistes spontan mitnehmen möchte und schlagen den Weg gen NRW auf der A1 ein. Mein erster Lift überhaupt ist also ein geräumiger Camper-Van, der seine Reisetauglichkeit in den vergangenen Wochen bei einem Roadtrip durch Skandinavien bewiesen hatte.
Wunderbar, so kann es weitergehen. Ich versinke in Träumen von entspannten spanischen Stränden und wache auf dem Rasthof Dammer Berge auf. Der Parkplatz ist das genaue Gegenteil meines Rucksacks: wohlgeordnete Leere. Schließlich verirrt sich ein altersschwacher Citroen auf der großflächigen Asphaltfläche und kommt kaum 10 Meter vor uns zum Stehen. Wir rennen hin, am gelben Nummernschild und dem fehlenden Außenspiegel links vorn vorbei zum Fahrer. Unsere Französischkenntnisse sind so verkommen wie die offenbar allein aus purer Gewohnheit noch fahrende französische Rostlaube. Und wie sie noch fährt, fahren auch wir wieder. Eingequetscht auf der Rückbank zuckeln wir durch den Ruhrpott und genießen den Ausblick auf niederliegende Industrielandschaften und überholende LKW bei 80 km/h Spitze. Scheiß drauf: Wir kommen voran, das zählt.
Zeit, die anderen Teams anzurufen. Ist ja ein Rennen! Die anderen Enden der Leitungen sind überall, aber nicht kurz vor Freiburg. Wir schlagen uns wacker und werden es auch nicht mehr ins Breisgau schaffen, die Sonne war zu schnell am Ende ihrer Tagestour. Nachtdestination: eine kurzfristig aufgetane Schlafmöglichkeit in Bonn.
Der nächste Morgen am Rhein. Die erste Autobahnauffahrt in der Nähe ist unsere. Kiste hat einer vorbeifahrenden Radlerin einen Stadtplan abgeschwatzt, der uns sagt: diese Gegend ist voller Autobahnen, keine drängt sich wirklich auf. Trotzdem versuchen zwei Daumen ihr Glück. In rascher Folge halten Autofahrer, die uns an ihr Ziel mitnehmen wollen. Aber wir wollen nach Freiburg, nicht zum nächsten Bonner Bäcker mit Frühstücksbrötchen. Mit den voranschreitenden Stunden sinkt die Stimmung unter der strahlenden Sonne. Irgendwann nehmen wir schier wahllos Lifts an zu Orten, die Einheimische als heiße Tipps empfehlen und sich als kalter Kaffee entpuppen.
Wir stehen am Verteilerkreis, an der Autobahnauffahrt Siegburg, am ICE-Bahnhof Siegburg, an der Autobahnauffahrt Siegburg. Den Tipp aus „Hitchwiki“, der Tramper-Ortsdatenbank, für Bonn können wir nicht nehmen: Per Straßenbahn raus aus der Ecke, etwas Laufen, und auf die Raststätte. Kiste hat Bekannten zugesagt, dass er NUR per Anhalter fahren wird und auf gar keinen Fall niemals während des Rennens den ÖPNV nehmen wird und nimmt dieses Versprechen ausgesprochen ernst. Mit dem anbrechenden Nachmittag fühlen wir uns fast heimisch in Siegburg. Neue, kreative Gedanken kommen auf. „Ole, hier wird das nichts mehr“, stellt Kiste treffend fest. „Lass uns ein Taxi nehmen!“
20 Minuten später und 20 Euro ärmer stehen wir an einer Tankstelle neben der A3 und mit uns der erste richtige Lift des Tages. Rasch kommen wir voran, keine drei Stunden später taucht Freiburg höchst real vor unseren Augen auf. Oder jedenfalls: die Outskirts der badischen Universitätsstadt, denn die Autobahn meidet den Kontakt mit Freiburgs Innenstadt um einige Kilometer. Trampen macht Spaß, auch wenn andere von dieser Abfahrt vielleicht sodann die 500 m entfernte Straßenbahn in die Stadt genommen hätten. Wir bleiben uns treu und warten und warten und steigen schließlich in den letzten Lift der Etappe ein. „Wo wollt ihr hin?! Auf den Berg?! Mit dem Gepäck?“ Der Fahrer kennt sich aus und hat Zweifel ob unserer Idee. Der Schlossberg ist das 100 m über uns thronende Etappenziel. Gut, dass wir vom anderen Team mittlerweile erfahren haben, dass wir alle in einem Hostel am Fuße des Ziels unterkommen können. Das Gepäck abgestellt, auf den Turm gerannt, Foto gemacht. Zwei Tage gebraucht, Platz 4 von 5. Und: angekommen!
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