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Merci vielmals! Ein kurzer Abriss

Das Tramprennen 2010 ist vorbei – und gibt es eigentlichen einen schöneren Ort als eine auf amerikanisch getrimmte Raststätte mit Plastikziegeltapete auf der Autobahn zwischen Linz und Salzburg, um einen finalen Bericht über 2 Wochen trampen für sauberes Trinkwasser zu schreiben? Mit Sicherheit nicht. Wir befinden uns auf dem Rückweg und haben es mit 3 Fahrern von Novi Sad über Budapest und Wien bis an diesen Ort geschafft, den alle von uns in unterschiedlichster Ausführung mittlerweile allzugut kennen.

Dieser Ort ist so kurios wie soviele Dinge, die den gut 30 Teams in den vergangenen 2 Wochen widerfahren sind. Zum Beispiel, dass sich ein Dutzend Frauen nachts um 2 in den Toiletten zu Tode schminkt, die überwiegende Mehrheit hier an der Zapfsäule ein rumänisches Kennzeichen hat und ein Sprinter mit 8 männlichen Insassen 2 Holzschaukelpferde transportiert. Mitten drin 3 Tramper, die der ungarischen Guns’n’Roses-Coverband Dust’n’Bones gerade versuchen klarzumachen, das es das Normalste der Welt sei, innerhalb von 2 Wochen mehr als 2500km per Anhalter zurückzulegen, um ein Trinkwasserprojekt in Ruanda mitzufinanzieren.

Als sich am 23. August knapp 70 Menschen mit Rucksack vor dem Wappen am Millerntorstadion trafen, wusste keiner so genau, was in den kommenden Tagen passieren würde und worauf man sich hier eigentlich eingelassen hat. Eine etwas angespannte Stimmung lag in der Luft, unruhige Gesichter und zweifelndes Stirnrunzeln standen dem euphorischem Gegrinse und üblichem Blabla einiger weniger gegenüber.

11 Tage später steigen im Minutentakt glücklich erschöpft grinsende Menschen 200m hinter dem Ortseingangsschild von Vama Veche aus dem Auto ihres letzten Fahrers und haben es tatsächlich fertig gebracht, mehrere tausend Kilometer einzig und allein mit ihrem Daumen zurückzulegen. Sie werden nicht nur von allen anderen dort wartenden Teams begrüßt, sie werden gnadenlos abgefeiert.

Die inoffizielle Siegerehrung findet unwesentlich später am Strand von Vama Veche statt, jeder feiert sich, die anderen und den Rest der Welt. Denn gewonnen hat auf dieser Reise jeder, ein Team hat unterwegs bloß zusätzlich die meisten Punkte gesammelt.

Der Atlas ist zerfetzt wie ein tausendmal gelesenes Buch, der Rucksack stinkt nach Abgas, Schweiß und Erinnerung. Und am Strand von Vama Veche schießen die Geschichten nur so durch die Luft. Man hört von aberwitzigen Porschefahrten, Verfolgungsjagden in rumänischen Parks, das Tramprennen feiernde Fahrer, einen 25-Mann-Lift auf einer Pferdekutsche, geprellte Zechen in Novi Sad, Möwen, Viva con Agua, 16-Stunden-Wartezeiten, Leuten die nachts auf Autodächern trampen, serbischem Schnaps und immer immer wieder von den geschätzten 1000 Fahrern, die 30 Teams von Hamburg nach Vama Veche transportiert haben und die Grundlage allen Gesprächsstoff sind. Tür auf – Tür zu – losfahren – Tür auf – Tür zu und Tschüß. Ein Geste, die mehr bedeutet als eine kurze Fahrt von A nach B. Hilfsbereitschaft und Vertrauen sind nur zwei von vielen Begriffen, die während des Tramprennens bei allen Beteiligten eine zentrale Rolle eingenommen haben.
Ein Jaguarfahrer aus Osnabrück sagte vor 4 Jahren mal auf der Strecke zwischen Udine und Ljubljana zu uns: „Seid froh, dass ich euch mitgenommen hab! Hier lauern überall die Rumänen, da hättet ihr auch schnell mit ner durchgeschlitzten Kehle im Straßengraben gelegen! Alles Verbrecher da!“.

Vielen Dank an über 30 Teams, der Mann hatte Unrecht.
Was mir begegnet sind, waren äußerst herzliche und freundliche Menschen, die lediglich das machen, was wir alle den ganzen Tag machen: essen, trinken, lachen, arbeiten und all das, was uns morgens einen guten Grund gibt, aufzuwachen.
Deswegen: Bitte weitermachen!

Zuguterletzt möge nochmal erwähnt sein, weshalb sich diese kaputte Trampertruppe überhaupt 2km von der bulgarischen Grenze am Strand eines versifften Hippie-Dorfes getroffen hat. Wir sind getrampt für sauberes Trinkwasser und haben es zusammen geschafft, über 10.000 € für ein Trinkwasserprojekt von Viva con Agua in Ruanda im Mwogo-Tal zu finanzieren. Von dem Geld können 9 Quelleinfassungen gebaut und mehrere tausend Menschen mit Trinkwasser versorgt werden!
Ein richtig guter Grund, weiter trampen zu gehen! Und noch viele mehr!

Ein großes Dankeschön an alle Tramper für mindestens 2500km per Anhalter für sauberes Trinkwasser! Das war der Wahnsinn! Ein fettes Danke an alle Leute, die uns mitgenommen haben! Danke an Pablo von den Irie Revoltes und Rollis für Afrika für die großartige Aktion in Heidelberg, Danke an Jonas für seine echt miesen TR10-Verpflichtungen in Hamburg während des Rennens, Danke an David Grabe für den TR10-Song, Danke an Chris von Delta Radio für die vielen Anrufe, Danke an Linn fürs Fotografieren, Danke an alle Teamsponsoren und Teampaten für 9 Quelleinfassungen in Ruanda, Danke blau, edding und falk für den Rennensupport, Danke an alle Hosts unterwegs, die stinkende Tramper aufgenommen haben, Danke an Kerrin für die perfekte Organisation des Campingplatzes in Budapest, Danke an Sibbe für die Shirts, Danke an Felix für den Website-Support, Danke an Mindo für das (leider ausgefallene) Tippspiel, Danke an MrTweek für den SMS-Ticker, Danke an Juan Villarino für die netten Worte, Danke an hitchwiki.org für die vielen hilfreichen Trampspots, Danke an Tim & Lars, die auch ohne Teilnahme am Rennen eine Etappe gewonnen und einen Rollstuhl nach Heidelberg überführt haben!! Und Danke an den ganzen Rest, ich hoffe, niemanden vergessen zu haben!!

Wie es mit dem Tramprennen weitergehen wird, ob es eine Neuauflage im Jahr 2011 gibt und was es sonst noch so für Ideen gibt, werden wir in der kommenden Zeit hier bekannt geben! Soviel sei gesagt: Das nächste Auto hält bestimmt 😉

Bitte schickt uns Feedback, Rückmeldungen und alles, was ihr sonst noch so los werden wollt!

Beste Grüße und Happy Hitchhiking von einer durchgeknallten Raststelle aus Österreich! Ist langsam 5 Uhr morgens, Zeit mal weiter zu stoppen!

Malte

Neulich auf der Straße [1]

„Jetzt mal im Ernst: Trampen ist doch voll fürn Arsch! Ich steh hier jetzt seit gefühlt zwei Stunden, langsam wird es kalt und zu essen hab ich auch nichts dabei. Und wofür mache ich das? Weil ich lächerliche 300km vorwärts kommen möchte. Das wären doch höchstens 15 Euro mit der Mitfahrgelegenheit und 30 bis 50 € im Zug. Da säße ich jetzt im Warmen und wüsste genau, dass ich bald ankomme.

Aber ich? Ich steh mit einem alten Karton an der Straße und habe langsam Schmerzen, weil ich seit einer Ewigkeit den Daumen rausstrecke. Dazu habe kommt das immer beklemmender werdende Gefühl, dass heute kein Mensch für mich anhält. Es reagiert nicht mal einer auf mein freundliches Lächeln. Das einzige was ich ernte, sind mitleidige oder verachtungsvolle Blicke. Oh mein Gott, ein Tramper!

An einer Tankstelle mag das Ganze ja in Ordnung sein, aber an der Straße ist Trampen echt das allerletzte. Du kannst nichts machen, stehst nur blöd rum und alle zehn Minuten erinnerst du dich, dass du eigentlich nach zehn Minuten dein Schild ändern oder deinen Platz wechseln wolltest. Egal, zehn Minuten versuche ich es noch! Dann ein Blick auf die Uhr: Ich stehe ja doch erst 40 Minuten, vielleicht komme ich ja heute tatsächlich noch an. Die Ernüchterung folgt beim Blick nach oben: Auto 478 und LKW 45 rasen genauso regungslos vorbei, wie ihre Vorgänger. Langsam sollte ich mir echt Gedanken machen, wo ich heute Nacht pennen kann, wenn ich hier nicht mehr wegkomme.“

Knappe drei Stunden später steige ich direkt vor meiner Haustür aus einem kleinen Wagen, habe eine wahnsinnig entspannte Fahrt hinter mir und einen richtig coolen Typen kennengelernt. Trampen, dass ist doch mit Abstand die schönste Art zu reisen!