Geschichten von der Strasse

Neulich auf der Straße [1]

„Jetzt mal im Ernst: Trampen ist doch voll fürn Arsch! Ich steh hier jetzt seit gefühlt zwei Stunden, langsam wird es kalt und zu essen hab ich auch nichts dabei. Und wofür mache ich das? Weil ich lächerliche 300km vorwärts kommen möchte. Das wären doch höchstens 15 Euro mit der Mitfahrgelegenheit und 30 bis 50 € im Zug. Da säße ich jetzt im Warmen und wüsste genau, dass ich bald ankomme.

Aber ich? Ich steh mit einem alten Karton an der Straße und habe langsam Schmerzen, weil ich seit einer Ewigkeit den Daumen rausstrecke. Dazu habe kommt das immer beklemmender werdende Gefühl, dass heute kein Mensch für mich anhält. Es reagiert nicht mal einer auf mein freundliches Lächeln. Das einzige was ich ernte, sind mitleidige oder verachtungsvolle Blicke. Oh mein Gott, ein Tramper!

An einer Tankstelle mag das Ganze ja in Ordnung sein, aber an der Straße ist Trampen echt das allerletzte. Du kannst nichts machen, stehst nur blöd rum und alle zehn Minuten erinnerst du dich, dass du eigentlich nach zehn Minuten dein Schild ändern oder deinen Platz wechseln wolltest. Egal, zehn Minuten versuche ich es noch! Dann ein Blick auf die Uhr: Ich stehe ja doch erst 40 Minuten, vielleicht komme ich ja heute tatsächlich noch an. Die Ernüchterung folgt beim Blick nach oben: Auto 478 und LKW 45 rasen genauso regungslos vorbei, wie ihre Vorgänger. Langsam sollte ich mir echt Gedanken machen, wo ich heute Nacht pennen kann, wenn ich hier nicht mehr wegkomme.“

Knappe drei Stunden später steige ich direkt vor meiner Haustür aus einem kleinen Wagen, habe eine wahnsinnig entspannte Fahrt hinter mir und einen richtig coolen Typen kennengelernt. Trampen, dass ist doch mit Abstand die schönste Art zu reisen!



Wilson. Die Raststelle, eine Insel.

5 Stunden nachdem Wilsons Truck die Raststätte verlassen hatte, waren neben uns lediglich einige schlafende Trucks der verbleibende Rest in der nach Kaffee und Aufbackbrötchen riechenden Parallelwelt, einer Raststelle bei Besancon. Erst jetzt, gegen 4 Uhr morgens wird uns klar, dass wir unseren Volleyball rücksichtslos und ohne Nachzudenken verstoßen hatten. Wilson. Wilson war nicht mehr da. Wilson war dort, wo wir mittlerweile gerne wären.

But – Who the fuck is Wilson?

Wilson ist der einzige Portugiese mit dem Namen Wilson.

„Wilson? OK, we call you Will“, schlagen wir Wilson beim Weg vom Toilettenhäuschen zum Parkplatz vor.
„Noooo, It’s Wilson.“

Während er das sagt, schmeißt er noch gediegen die letzten Reste seines Fast-Food Bestands in die Ecke, schiebt ein paar Zigarettenstummel vom Beifahrersitz auf den Boden und sucht auf dem Rastplatz nach einem geeigneten Mülleimer für Plastik und Karton. Nachdem wir ihm unsere Rucksäcke ins 2m hohe Führerhäuschen zugestreckten, bittet er auch uns, seine fahrende Heimat zu betreten.

Wilsons Armaturenbrett ist ein Geflecht aus Mehrfachsteckdosen, die von 4 Zigarettenanzündern gespeist werden. Laptop, Handy, Herdplatte, Rasierapparat und die automatische Zahnbürste – ein Truck braucht viel Strom.
„One sleeps in the back, one can watch porn. And I drive.“

Freundlich strahlend zeigt er auf Laptop und Bett. In der Tat, die große Liegefläche hinter den Sitzen lädt zum Verweilen ein, und auch Wilsons DVD-Sammlung würde für genug Zündstoff in den nächsten Stunden sorgen, zweifellos. Seine Begeisterung für Sprachen ist kaum zu übersehen, deutsche Wörterbücher und Sprach-CDs sind ebenfalls Teil der Ausstattung in Wilsons 5m² großen Wohnung. Wir bleiben bei Englisch, „Die.Fleischplatte.“, „Ich.habe.einen.Tisch.reserviert.für.zwei.Personen“ und „Herr.Ober.Die.Rechnung.Bitte.“ werden nach einem kurzen Versuch wohlwollend auf morgen verschoben. Wilson bleibt weiterhin voller Lerneifer. Er ist 30 Jahre alt, seit mittlerweile 7 Jahren in europaweit unterwegs, seine Freundin lebt in Lissabon, eigentlich wollte Wilson mal Polizist werden. „I was young and young people often do stupid things…“. Mit 23 Jahren hatte er betrunken und voller Liebeskummer einen Menschen totgefahren, seitdem fährt Wilson LKW.

Die letzten von Schnee bedeckten Felder ziehen an uns vorbei, die warme, nach selbstgedrehten Zigaretten riechende Lüftung und der beständig-monoton surrende Motor spielen die versöhnlichen Schlussakkorde in dem nie endenden Spiel aus Tag und Nacht. Es geht weiter.

Wilson bietet uns einen Schlafplatz hinten auf der Ladefläche seines Trucks an, ist sich aber nicht ganz sicher, ob der abgeschlossene Raum ausreichend durchlüftet ist. In 9 Stunden dürfe er weiterfahren, mitnehmen würde er uns bis Portugal. Wir steigen mit der Gewissheit aus, um 21 Uhr noch weitere Fahrer auf dem Weg nach Spanien zu finden und sind mit der heute zurückgelegten Strecke noch nicht zufrieden. Nach acht Stunden des Wartens vermissen wir Wilson auf unserer Insel, der Raststelle bei Besancon.

HaukeSchremmer TrampTeam supported by the special one

betreff: 60-stunden-runden

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Wir möchten den trampsport von allem lösen und befreien, wofür dieser begriff durch die ideologien der menschen bisher steht bzw. welchen zwängen er durch das handel bestimmter menschen momentan unterliegt. deswegen respektieren wir diese seite, möchten aber nicht teil dieser kultur sein, die den trampsport in ein licht „der zwänge“ stellt.

wir wollen neue wege gehen, mauern einreißen und ahnungslose autofahrer die angst nehmen, wenn sie tramper mitnehmen, befördern sie  automatisch unschöne und unlustige menschen. gesprächsthemen wie der „selbsterfahrungstrip nach timbuktu“, „veganes essen ist ja auch ganz lecker“ und „wie hart doch das studium im kontext der studiengebühren ist“ sollen der vergangenheit angehören. tramprennen kann mehr.

wir respektieren angriffe von anderen teams auf unser wunderschönes team, denn wir können noch(!) nicht erwarten, dass jeder unser anliegen auf anhieb versteht. allerdings werden wir auf anfeindungen anderer tramper in keinster weise reagieren, denn man kann sich nicht mit menschen konstruktiv auseinander setzen, wenn diese in ihrer sichtweise stur sind.

uns ziel ist nicht der sieg! unser ziel sind glückliche autofahrer, neue perspektiven für den trampsport und humor & style auf europa´s autobahnen.

vielen dank für eurer verständnis.

Per Anhalter zum Fest

„Wie komme ich bloß an mein Weihnachtsziel?“ titelte Deutschlands wichtigstes Schmierblatt angesichts chaotischer Verkehrsverhältnisse dieser Tage online. Die beste Antwort? Einfach den Daumen raushalten.

Es ist wieder Weihnachtszeit und jeder, naja fast jeder, will nach Hause zur Familie. Nur wie, wenn man kein eigenes Auto besitzt? Zum eh schon vorhandenen Weihnachtschaos gesellt sich dieses Jahr auch noch ein Dezember, den man getrost mal wieder Wintermonat nennen kann. Das führt in einem voll auf Erderwärmung eingestellten Land dazu, dass  fast alle Flüge ausfallen, die eh schon voll besetzten Züge aus allen Nähten platzen bzw. gar nicht mehr fahren und die Deutsche Bahn von der eigenen Nutzung abrät. Die einzig günstige Alternative ist da wohl die Mitfahrgelegenheit. Doch weit gefehlt, denn bei der Suche nach dem passenden Angebot macht sich schnell Ernüchterung breit. Entweder ist die Fahrt schon lange ausgebucht oder die Fahrer erdreisten sich, aufgrund der erhöhten Nachfrage unmenschliche Preise zu verlangen. Die soziale Komponente des Mitnehmens scheint bei vielen der reinen Profitgier gewichen zu sein. Was also tun?

Ich habe mich fürs trampen entschieden, nicht aus Tramprenn-Nostalgie, sondern aus ganz praktischen Gründen. Klar könnte einen die klirrende Kälte abschrecken, aber die nervt auch am Bahnhof. Und die Ungewissheit bezüglich des Ankommens? Wann hat man schon mal etwas mehr Zeit, wenn nicht zu Weihnachten? Und ankommen, das schafft man beim trampen bekanntlich immer. Den wenigen Nachteilen stehen nämlich einige wunderbare Vorteile gegenüber: Ich kann losfahren wann ich will, die Straßen sind voll mit potenziellen Lifts und gerade bei der Kälte kurz vor Weihnachten ist die Bereitschaft zum mitzunehmen um einiges größer. Vom Kostenvorteil will ich gar nicht erst sprechen. Bei mir hat es sich auf alle Fälle gelohnt: Ich bin sicher angekommen, habe mal wieder tolle Menschen kennengelernt und mit 5 Stunden für 360km nur unwesentlich mehr gebraucht, als mit anderen Verkehrsmitteln. Die längste Wartezeit hatte ich übrigens in Berlin, aber nicht am Rasthof, sondern am S-Bahnhof.

Wahr oder Falsch? Irgendwo zwischen Hannover und Ulm

Und die Frage lautet: Ist dieser Reisebericht wahr oder falsch?

Irgendwo zwischen Hannover und Ulm.

„Zahnärzte. Ja, genau die. Von Medizinern belächelt, von Kindern
gefürchtet und von uns verhasst. Genau die sind es, die unsere
Gesellschaft am Leben erhalten. Hätte es vor 300 Jahren mehr von denen
gegeben, die hätten sich einfach ein Kreuz um den Hals hängen brauchen
und mit Ablassbriefen ihr Geld verdienen können!Weißt du eigentlich
was diese armen Kerle unter ihrer Zehntausendwattbirne täglich zu
erleiden haben?!

Wenn sie sagen, man solle nun mal für einen Moment die Luft anhalten
und aufhören zu atmen, damit man den Speichel ohne große Vorkommnisse
absaugen kann, dann brauchen sie keine kurze Pause von dem faulen
Geruch von Speck und Kaffee, der ihnen jeden Tag ein paar Stunden aus
der Speiseröhre entgegen gepustet wird. Da wird eine Pause benötigt
von Abarten, widerlichen Geheimnissen und anderen Krankheiten, die da
neben Kaffe und Speck mit nach oben geschwemmt werden. Man atmet aus
und mit jedem Atemzug pusten wir irgendetwas unserer kaputten
Gedankenwelt und Umgebung hinein mitten ins Gesicht dieses Zahnarztes,
der gerade dabei ist meinen gardinenfarbenen Gelbstich
mit einer Zahnfräse zu entfernen. All die ganze Scheiße, die täglich
passiert und die man beobachtet , Manuelas alkoholvergifteter
13-Jähriger Bengel, der vor 2 Jahren noch so ein süßer Fratz gewesen
ist und Mannis nicht verschwinden wollende Pustel auf der unteren
Hälfte seiner Wirbelsäule, all das muss dieser arme Zahnarzt täglich
mehrere Stunden auf sich ergehen lassen. Neben seinem eigentlichen
Job, unser faules Gebiss wieder geradezubiegen…!
Und weißt du warum?

Weil mit jedem Atemzug, mit jedem Hauch, der aus den Tiefen der
Magengrube kommt, irgendetwas von diesem ganzen Elend auf der Zunge
,am Gaumen und unseren Zähnen kleben bleibt. Und der Zahnarzt, die
arme Sau, der sieht das,der kann das sehen, der hat da ein Auge für,
das glaub mir mal. Das ist wie mit den Gäulen – denen schaut der Bauer
ins Maul und weiß wie alt sie sind. Der Zahnarzt schaut uns ins Maul
und weiß, wer wir sind, welchen Scheiß wir gebaut haben und welchen
Scheiß wir schon mitgemacht haben.An den Zähnen ablesen kann der das!
Der hat nicht Angst vor ner drei Tage alten Pizza, die da noch
irgendwo zwischen den Weisheitszähnen vor sich hinfault – der hat
Angst vor Neukunden oder Leuten, die jahrelang nicht mehr bei ihm
gewesen sind. Weil die meist neben ner ordentlichen Portion Karies und
Zahnfleischentzündung auch gleich die halbe Pest ihrer Seele mit ins
Haus bringen.Da bleibt alles haften – vom geklauten Wurstbrot in der
Grundschule bis zur Nutte im Flughafenhotel, die man seiner werten
Gattin vorzieht – auf den Zahn ist soviel Verlass wie auf das Haar zum
Nachweis von Koks.Nur das man sie nicht abschneiden, sondern allesamt
ausschlagen müsste, um unkenntlich zu machen, was man gesehen und
gemacht hat. Aber dann könnte man sich ja gleich nen tanzenden Affen auf die Stirn tätowieren, um nicht weiter
aufzufallen. Deswegen halten die meisten Leute ja auch die Klappe im
Fahrstuhl, weil sie Angst haben, ein Zahnarzt könnte ihnen
gegenüberstehen.

Wer Problemen lieber aus dem Weg geht, wünscht sich wahrscheinlich,
dass Gott uns lieber durch den Hintern hätte atmen lassen sollen, dann
würden die Aufsässigen einmal bei der Musterung bei der Bundeswehr
richtig auspacken müssen und bloß junge Mütter müssten sich von Zeit
zu Zeit die wütenden Quälereien ihrer Kleinen ins Gesicht furzen
lassen. Aber dann wäre Ruhe. Der Rest wird das Klo runtergespült oder
vermischt sich in der Luft…keine Zähne, keine Probleme, ganz
einfach.Und deshalb, weil es ohne Zähne nicht geht, genau deshalb sind
Zahnärzte die Helden unserer heutigen Gesellschaft, weil sie jeden
einzelnen von uns mal auf dem Beichtstuhl haben und alles sehen
können, was wir je verzapft haben, was uns mitnimmt und was uns
kaputtmacht. Die wissen, was falsch läuft bei uns da draußen.Verstehst
du, was ich meine?!

Wart mal, ich muss mal tanken,willst du nen Kaffee?“

– Klar, gern.

Während Mario bereits wieder lauthals mit der Toilettenfrau über den
Sinn von Drehtüren und 0,50Cent Wertbons auf Autobahnraststätten
diskutiert, stelle ich mir vor, wie sich „Karius und Baktus“ – die
Helden und Pflichtlektüre für jedes Kind beim Zahnarztbesuch –
anstelle von Karies und anderen Erkrankungen in der Mundregion
genüsslich diverse Neurosen und Kindheitstraumata einer 43-jährigen
Geschäftsfrau aus Kassel reinstopfen, die regelmäßig ihre Zähne
bleicht, anstatt eine psychotherapeutische Behandlung zu beginnen oder mal 15 Minuten am Tag im Schneidersitz zu verharren. In
Anbetracht der Tatsache, welche grausigen Funde ich in den Mäulern der
Menschheit nach den Ansichten Marios machen würde, bin ich froh, kein
Zahnmedizinstudent zu sein.

Der Tank ist voll und ich sehe ihn – noch immer wild gestikulierend –
aus der automatischen Schiebetür des Tankstellenshops kommen, die
Fahrt mit dem ehemaligen Geschichtsstudenten und heutigem Mitarbeiter
eines Comicversandhandels kann also weitergehen.

„Die kann froh sein, hier überhaupt noch stehen zu dürfen!..