Geschichten von der Strasse

Trainingslager Sizilien

Ganz verstaubt war schon mein Pappschildvorrat, den ich mir unter meinem Bett angelegt hatte. Zum ersten Mal in diesem Jahr machte ich davon Gebrauch, holte den Edding – eine Spende vom letzten Rennen – und musste schon etwas grinsen, als ich in großen Buchstaben SIZILIEN darauf schrieb.

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Der Rucksack war gepackt, ich war extrem urlaubsreif, also nichts wie weg! Eine Woche Sizilien nur mit Zoe, etwas Kram, einem Zelt, alles andere konnte uns gerade mal gestohlen bleiben!

Jetzt denkt Ihr bestimmt: Was, von Kiel nach Sizilien trampen, in einer Woche?! Ganz so abenteuerlustig war es doch nicht, dies galt nur der einleitenden Spannung. Dank Ryanair hatten wir Flugtickets von Bremen nach Trapani. Unsere Daumen mussten also lediglich (aber immerhin) bis Bremen ihre Dienste tun.

Um 8h morgens standen wir auf der IKEA-Kreuzung, um den Berufsverkehr zu erwischen.Unser Flieger ging um 15.50h. Also massig Zeit um wählerisch genug zu sein und einen Direktlift zum Bremer Flughafen abzustauben. Es war Zoes erste Anhaltererfahrung und sie verstand nicht gleich: „Da mitten auf die Kreuzung??“ Ja, mitten auf den Grünstreifen! Weiterlesen

Nur Hamburg > Kiel

Trampen. Von Hamburg nach Kiel. Es ist Sonntag – es ist 20 Uhr.

Ich hab Hunger, Durst, müde bin ich auch. So what! Die Bahn fährt ja immer 1,5h vom HH zum KI, deshalb steh‘ ich in Stellingen am Autobahnzubringer. In der Regel bin ich nämlich dann um 21 Uhr zuhause.

Regeln haben Ausnahmen. Es ist 21 Uhr, ich bin nicht zuhause, sondern stehe nach wie vor Autobahn. Na gut, 22 Uhr geht auch noch durch. Wenig später sitze ich bei Tempo 80 in einem LKW, habe den perfekten Blick über die leere A7 und auf alle Straßenschilder. Gleich kommt die Abzweigung gen Kiel.

Jo! Hö? „Wir müssen erstmal nach Kropp, die Ware abliefern!“ Die Abzweigung gen Kiel glitt also rechts aus meinem Blickfeld vorbei. So what! Fahr ich eben nach Kropp – war ich sowieso noch nie. 22.30 – Kropps Industriegebiet hält was es verspricht und erhält was ihm versprochen wurde. 22.45 – einige Paletten leichter sind wir wieder auf der A7. Einige Kilometer weiter dann auch in Kiel. „Jo, ich fahr noch nach Kiel-Wellsee und direkt danach auch noch in die Richtung, in die du musst“. Gut, dann komm ich eben nochmal mit eine Lieferung ausliefern.

00.10 – gute 1,5h später ist die Arbeit im Industriegebiet verrichtet, ein kleines Nickerchen in der Führerkabine, mit dem Kopf gehupt und weiter geht’s. Die Lieferung (Biberfell & Nackensteak) in Kiel-Wellsee entsprach nicht so ganz den Anforderungen der Abnehmer (schimmelte & roch unangenehm), also wurd nachdem erstmal alles ausgeladen war, wieder alles eingeladen. Um 00.30 schloss ich grinsend meine Haustür auf, ging schlafen und der Asphalt glüht wohl immernoch, nachdem ihm die 4,5-Stunden Bestzeit HH-Ki von mir eingebrannt wurde.

Fazit: Sowas kann man nicht lernen…

Trainingslager auf den Straßen Schleswig-Holsteins

5 Leute und 1 freier Platz im VcA Materialbus – so sah es am Sonntag morgen nach 2 Tagen auf dem Surffestival von Pelzerhaken aus. Optimale Bedingungen für ein kleines Tramprennen vom Ostseestrand bei Lübeck zurück nach Kiel.

Nach einer Runde Schnick-Schnack-Schnuck war der Verlierer auserkoren, der im Bus mit Tobi fährt und nicht trampen gehen kann. Das Trainingslager-Competition-Team steht:

Mit dabei sind el Junge, Wastl, Jonathan aus Kopenhagen und meine Wenigkeit. Nachdem wir uns schon auf der Hinfahrt gegen den Junge geschlagen geben mussten, wollten wir eine zweite Schmach nicht über uns ergehen lassen.

Die Vorraussetzungen sind großartig: wir stinken, sind nass vom nächtlichen Regen und leicht übermüdet. Zudem hat der Junge eine blau-rot-weiße Holsteiner-Jung Mütze auf dem Kopf und verschreckt die Menschen mit seinem roten Bommel. Uns soll es nur Recht sein, Wastl und der Junge sind heute die Konkurrenz.
Das Rennen beginnt. Weiterlesen

Ob Xavier Naidoo wohl Tramper mitnimmt?

Nach 6 Wochen in Kiels Bibliotheken mit der Nase in der schwarz-weiß gedruckten Theorie, ist es an der Zeit, wieder frische Luft zu atmen. Die letzte Klausur ist geschrieben, also Daumen raus und los. 3 Wochen Baltikum stehen auf dem Plan, zunächst geht es von Kiel über Berlin und Warschau ins lithauische Kaunas, von wo die Reise dann weiteren Spontaneitäten folgt.

Mein heutiges Ziel ist Berlin, von dort soll es am nächsten Tag über Warschu einmal quer durch Polen gehen. Zunächst einmal stehe ich nach einem flotten Start aus Kiel heraus auf der Landstraße zwischen Kiel und Hamburg und stelle mich der Frage:

Ob Xavier Naidoo wohl Tramper mitnimmt?

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Zwischen der Beantwortung auf diese Frage stand genau ein schwarzer Mercedes Jeep mit Allradantrieb, der mich nach zwei Stunden frischen Windes am Rasthof Schackendorf zwischen Kiel und Hamburg endlich aufatmen ließ. Der Jeep und ein Caravan mit Mannheimer Kennzeichen hielten in der schleswig-holsteinischen Steppe, wo sich sonst nur Fahrzeuge aus der Umgebung mit Treibstoff versorgen.

Wie sonst auch, laufe ich die vielen Zapfsäulen der Raststelle von links nach rechts ab und erkundige mich bei den Fahrern nach Fahrtziel und einem möglichen freien Platz. „Nur nach Potsdam, aber klar, steig ein!“

Während der Jeans- und Sonnebrillenträger noch zwei Kaffee an der Kasse besorgt, nehme ich schonmal Platz auf der Rückbank und sage der Beifahrerin guten Tag. Aus dem Caravan neben uns glotzt ich mich ein fetter Mops an, der gegen die Fensterscheibe hechelt und den Dunst dann wieder ableckt. Seine runtergezüchtete Nase presst gegen die Scheibe und versucht vergeblich, etwas zu riechen. Obs an der Nase oder der Geruchsneutralität einer Fensterscheibe liegt, bleibt offen.

Sein Herrchen unterhält sich mit meiner Beifahrerin, sie sind sich einig, ab jetzt schneller zu fahren, um zeitig anzukommen. Wohin? Ich habe keine Ahnung. Irgendwo nach Potsdam, Hauptsache Berlin.

Die Fahrt ist sehr kommunikativ, die Handys der beiden klingeln ständig. Gesprächsthemen sind Grönemeyer, diverse Radiosender, Begriffe wie Gebietsschutz und immer wieder diverse Radiosender. Nachdem über die Neubeschaffung eines Abendkleides für die echo-Verleihung in Berlin gesprochen wird, interessiert mich ja irgendwie schon, wer mich da eigentlich gerade mitnimmt. Mich belustigt der Gedanke, im Auto von C-Promis zu sitzen. Nach 15 Minuten wichtiger Telefonate kann ich mich nicht mehr zurückhalten, die offensichtliche Geheimnistuerei um ihr Arbeitsleben geht mir auf den Keks: „So, nun erzählt mal, wer seid ihr und was macht ihr?“

„Wir sind Schausteller, im Kofferraum ist unser Löwe, im Caravan vor uns unser Zirkuszelt, ich bin der Direktor und sie die Trapezkünstlerin. Und außerdem entführen wir dich jetzt!“. Sonnenbrillenmann lässt die Türknöpfe automatisch runterfahren und Beifahrerfrau lacht mit ihrer verrauchten Stimme. Großartig, das Spielchen zieht sich noch ein wenig hin, bis die klingelnden Handys wieder Überhand nehmen und die Antworten für das Männchen im Apparat auch für mich hilfreiche Informationen im lustigen Berufe-Raten-Puzzle sind. Immerhin weiß ich auf der A23 schon, dass es zum Radio Berlin Brandenburg (rbb) in Potsdam geht und es eilig ist, da das Interview live sei. Aha, im Caravan sitzt also wer, den ich möglicherweise kennen sollte. Vermutlich denken die zwei, ich hätte den Typ mit der Baskenmütze und den getönten Brillengläsern am Steuer schon beim Einsteigen längst erkannt und stelle mich nun auf unauffällig dumm wie jene, die Brad Pitt ungeschminkt im Supermarkt Weißbrot kaufen sehen. Tut mir Leid Freunde, ich wusste wirklich nicht, dass der sabbernde Mops Xavier Naidoo gehört. Und dass er selber gerne Auto fährt, hätte mir der Söhne Mannheims Groupie im vorherigen Lift erzählen müssen, der leider keiner war, sondern ein netter Althippie, der mir die Genese friesischer Dörfer im niedersächsischen Moorland erklärte.

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Die Fahrt ist großartig, die zwei reden die Art dummes Zeug, die ich am liebsten habe. Menschenkino auf der A23. Was fehlt ist Surround Sound, sonst nichts. Stimmige Dialoge, großartige Aussicht, komfortabler Sitz. „Weißt du, wenn die Frau zu Hause nicht bügelt, dann ist mir das ganz egal. Da bleib ich echt ruhig, dann mach ich das eben selber. Aber dann braucht Frau sich auch nicht wundern, wenns am Wochenende nicht zum Shoppen geht. Da hab ich dann nämlich keine Zeit zu, ich muss ja meine Hemden bügeln. Und dann ist das Gezeter groß. Ist mir aber auch egal. Immer rausgehen, wenn die Frau schreit, immer rausgehen. Wirkt immer.“ Lebensweisheit Nummer 352, die ich mir notieren und merken sollte.

Ab Potsdam wirds hektisch, wir sind schon 20 Minuten zu spät, der Radiosender macht Druck. Wir verfahren uns trotz Navi zweimal, alte Frauen schieben ihren Stützwagen zu langsam über den Zebrastreifen und Ampeln sind unnatürlich lange rot in diesen Momenten. Sonnenbrillenmann ist super entspannt, die Beifahrerin verteufelt Murphys Law und ich sehe eigentlich nur den ganz normalen Alltag in Brandenburgs Hauptstadt.

Angekommen beim rbb springt Beifahrerin schnell mit mir aus dem Wagen, stellt mich dem Xavier kurz als den Tramper von der Raststelle vor und die beiden verschwinden ins Studio. Schade, an der Raststelle und auch hier ergab sich leider nicht die Möglichkeit zu fragen, ob der Mops auch auf dem Rücksitz Platz nehmen könnte.

Von Potsdam bis Berlin ist es nicht mehr weit, ich stelle mich spontan direkt an die Ausfahrt, Berlin Schild in der Hand. Keine 30 Sekunden später hält ein weißer Sprinter und ich bin auf dem Weg nach Berlin-Kreuzberg. Viel besser aber noch: Malte ist Requisitenfahrer für eine deutsch-polnische Filmproduktion und muss morgen früh nach Warschau fahren. Was gibt es eigentlich schöneres als den Zufall und das Unvorhersehbare?

Startübungen

Der Daumen muss heiß bleiben, darf niemals abkühlen, soll immer gen Himmel zeigen. Daher müssen auch Starts und Kurzsprints geübt werden. Die besten Voraussetzungen dafür brachten die vergangenen Tage mit sich.

Bei bestem Wetter am Samstag gabs keine zwei Meinungen – es schrie nach Trampen!
Beim Kiel-Ikea-Spot gabs nach 3 Minuten warten für mich erst einmal ein recht verlockendes Angebot von einem Taxi aus Augsburg. „Aller, 200 € und du bist dabei!“ Fast wär ich schon drauf eingegangen, wäre nicht just in diesem Moment ein Fenster runtergekurbelt worden und mir ein fragend-forderndes Hamburg!? entgegengeworfen. Vorbei am verdutzten Taxifahrer, rein ins Auto und ab nach Hamburg zum Marathon.

Bei immernoch sommerlichen Temperaturen in Stellingen testete ich wiedermals wohl d e n Spot überhaupt von Hamburg Richtung Norden und wurde nicht enttäuscht. Eine 68er-Malerin/Kostüm-Bühnenbildnerin lud mich 120 Sekunden später auf eine interessante Fahrt nach Kiel ein und setzte mich direkt vor meiner Haustür ab.
Natürlich kann nicht immer nur die Sonne scheinen, also machte ich mich zusammen mit Kai am vergangenen Montag bei ekeligem Nieselregen auf zum Fußballspiel der VcA-Allstars gegen Gentleman und seine Musiktruppe. Das erste inoffizielle Rennen ‚Trampen vs. Mitfahrgelegenheit‘ des Jahres gewannen wir beide souverän gegen einen Kumpel aus Kiel, der mit dem selben Ziel wie wir etwa zeitgleich in Kiel mitgenommen wurde. Über 20 Minuten Vorsprung sprechen eine deutliche Sprache 🙂

Fazit: Kurzes Training, nie länger als 5 Minuten gestanden, Sonne oder Regen ist egal, bin jetzt schon in Wettkampfform – ganz stark!